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9827 Kilometer - Das Land in grün.

Laos - Das Land in grün.

Ein schweres Erbe für mehrere Generationen

Laos wirft gerade zu um sich mit dem Grün der Reisfelder, Dschungelwälder, Kautschuk-Plantagen und Bambusüberflutungen,... Was dabei allerdings oft unter den Tisch gekehrt wird:

 

Das schwere Erbe, das das Land durch den Vietnamkrieg zu tragen hat, obwohl es selbst nicht mal aktiv beteiligt war! Während dem Vietnamkrieg wurden über dem (offiziell) neutralen Laos von der US-Armee nach Schätzungen zwei Millionen Tonnen Munition abgeworfen. Ein Großteil davon sind mehr als 270 Millionen "Bombies" - kleine runde Sprengkörper verpackt in großen sich im Flug öffnenden Bombenkanistern, die eine 2-3 Fußballfelder große Fläche bedecken.

Die Süddeutsche beschreibt sehr bildlich:  "...viel verheerender war der Abwurf von Clustermunition. Man kann sich das vorstellen wie einen Sack Konfetti, der aufplatzt. Die Bomber lassen einen großen Torpedo fallen, er enthält bis zu 900 Sprengkörper, jeder so groß wie eine Mandarine oder ein Apfel. Einige hundert Meter über dem Boden platzt die Schale auf und verstreut die Fracht in der Landschaft. Neun Jahre lang fiel im Schnitt fast jede Sekunde eine Streubombe auf Laos."

80 Millionen dieser apfelgroßen Bombies explodierten nicht, weshalb im Land noch heute eine Übermasse an Blindgängern schlummern. Damit ist Laos das am meisten mit Streubomben übersähte Land der Erde. Die Rescue-Teams - meist Frauen - leisten vollen Einsatz. Durch ihre riskante & mutige Arbeit wurden seit 1996 bereits mehr als 800 000 Bombies entfernt. 800 000 ist eine große Zahl, aber eben doch nur lediglich 1% der im Land verteilten Blindgänger...

Unvorstellbar zu hören war auch, dass die Bomber ihre Fracht oft nur deshalb abwarfen, da ihr Angriff nicht erfolgreich gewesen war. Mussten sie aus irgendwelchen Gründen aus Nordvietnam abdrehen und hatten ihre Ladung noch an Bord, waren sie zu schwer zum Landen - und so erleichterten sich die Flugzeuge einfach über dem Nachbarland. 

Andere Gegenden wie beispielsweise der Ho-Chi-Minh-Pfad wurden sehr bewusst mit Bomben überschüttet. Während dem Krieg war dies eine Versorgungsroute für den Norden Vietnams, die in großen Teilen durch Laos verlief. Hier haben die USA, um die Gegner handlungsunfähig zu machen, die Route darüber hinaus regelmäßig mit Waschmittel (um den Weg zu rutschig und für die Gegner nicht nutzbar zu machen) und dem chemischen Entlaubungsmittel Agent Orange überschüttet. Die Umweltbelastungen waren enorm, tausende Neugeborene trugen Missbildungen davon,... Die Folgen für die Umwelt bleiben bis heute bestehen. Darüber nachzulesen lohnt sich! 

 

Seit Kriegsende stirbt weiterhin alle zwei Wochen ein Mensch wegen einer Explosion einer der Blindgänger. Die vielen weiteren Verletzungen und deren Folgen sind hierbei nicht berücksichtigt!

Beim genaueren Hinsehen erkennt man erste Facetten des Leides, das dieses Blindgänger-Erbe für die Einwohner in Laos bedeutet. Felder können nicht bewirtschaftet werden, weil Blindgänger das Arbeiten verhindern. Oder sie werden mit Angst vor Detonationen bewirtschaftet, weil die Familie Einkommen und schlichtweg Nahrung braucht. Kinder können nicht mehr zur Schule gehen, weil der Vater wegen einer Explosion Verstümmelungen erlitt und die Familie nur noch eingeschränkt ernähren und finanziell über Wasser halten kann. Viele Kinder verlieren beim Spielen mit den spannenden Apfel-Ball-Kugeln ihr Augenlicht, Arme oder andere Körperteile, weil diese explodieren. Dramen dieser Art gibt es über Laos verteilt Unzählige. 

Und all das in irgendwelchen kleinen Dörfchen irgendwo im Dschungel mit seinen Bewohnern in Bambushütten, die gar keine Ahnung hatten, was vor über 40 Jahren über ihnen vor sich ging!

Wir haben uns bei all diesen Geschehnissen wirklich gefragt, warum hier kein Hass entstanden ist bei all dem schweren Erbe.

 

Beim Zelten hatten wir öfters ein komisches Gefühl. Die Heringe wollten wir fast nicht in den Boden schlagen und ließen sehr viel Vorsicht walten...
Beim Zelten hatten wir öfters ein komisches Gefühl. Die Heringe wollten wir fast nicht in den Boden schlagen und ließen sehr viel Vorsicht walten...

In Dörfern und deren Schulen gibt es Plakate und immer wieder kommen Teams, um Präventionsarbeit zu leisten, damit Kinder die Bombies nicht mehr anrühren und stattdessen über deren Existenz informieren. Der Kriegsschrott wird überall im Alltag verwendet - als Zaunpfähle, Dekoration und nun auch zur Herstellung von Schmuck und Besteck, welches in touristischen Gegenden verkauft wird.

Ein gefährliches Wirtschaftsmodell - gehen so die Laoten doch wieder aktiv auf die Suche nach Kriegsschrott, der vielleicht noch scharf ist. Doch die Armut im Land bleibt groß, und die Not unterstützt waghalsige Geschäfte wie diese.

 

Nun ist wieder Regenzeit und im vom Regen aufgeweichten Boden wandern weitere Sprengkörper an die Oberfläche...

 

Vieles davon haben wir in einem sehr gut aufbereiteten Museum in Luang Prabang gelernt - im UXO Visitor Center (UXO = Unexploded Ordnance). Doch wie kamen wir eigentlich nach Luang Prabang?

 

Zwei Tage Mekong, bitte.

Wir überquerten den Mekong, der Thailand und Laos voneinander trennt und plötzlich gab es feines Brot an den Straßenständen. Richtige Baguette-Brötchen - das hatten wir ja schon Monate nicht mehr!

 

Und dann machten wir etwas für uns sehr besonderes, wir stiegen für zwei Tage in eines der schönen bunten Langboote aus Holz ein, ließen uns über den Mekong durch Kilometer weites unberührtes Land transportieren und genossen die Aussicht in vollen Zügen, während der Motor monoton vor sich hin ratterte. Es war eine wunderbare Abwechslung, aber auch deshalb besonders, weil wir schon seit der Donau das Land vom Wasser aus bestaunen wollten. Endlich war es soweit!

Die Flussstrecke war sehr anspruchsvoll, denn das Fahrwasser war doch recht schmal und links & rechts ragten immer wieder Felsen aus dem Wasser. Doch der Kapitän war die Entspannung in Person und überließ in seiner Mittagspause auch gerne mal seinem etwa 9-jährigen Sohn das Steuer!

 

Das Treiben auf dem Boot wäre schon wieder ein eigenes Kapitel mit dem Transport von Hühnern, den runzeligen alten Damen und ihrem Strahlen,...  Und das beste waren die rosa Wasserbüffel am Flussufer, die ab heute nur noch Schweinebüffel heißen.

 

 

Die Perle Luang Prabang

Das Langboot brachte uns bis in die Stadt Luang Prabang - ein wunderbares Fleckchen Erde!

 

Laos war eine französische Kolonie. Im Jahr 1953 wurde dem Land die politische Unabhängigkeit gewährt. Die offiziellen Gebäude tragen noch heute französische Aufschriften. Die Architektur in der Altstadt im französischen Kolonialstil ist ein Augenschmaus. Es handelt sich sogar um UNESCO Weltkulturerbe. An jeder Straßenecke scheint es orange zu leuchten, wenn wieder mal ein Mönch aus einem der vielen Tempel vorbeihuscht... Und jeden Abend verwandelt sich die Altstadt in ein buntes Treiben und das gesamte Leben scheint sich auf dem Nachtmarkt abzuspielen. Wir wurden mit französischer Backkultur verwöhnt und ließen es uns gut gehen.

 

Ein Ort zum Verweilen und definitiv einen Besuch wert.

 

Das Geburtstagskind zwischen badenden Mönchen.
Das Geburtstagskind zwischen badenden Mönchen.

Was unsere Zeit hier neben dem Ort selbst sehr besonders machte:

Im Iran waren wir über fünf Wochen mit drei anderen Radlern unterwegs gewesen - dem iranischen Pärchen Zahra & Arash und dem Belgier Quinten. Vom Iran aus war Quinten knallhart im Winter gen Norden aufgebrochen und Richtung Kasachstan und von dort nach China geradelt. Wir hatten immer herum geblödelt und ausgemacht, dass wir uns dann irgendwo im Osten in Asien wieder begegnen müssten...

...Und in Luang Prabang war es tatsächlich soweit!

 

Wir feierten gemeinsam mit ihm und seinem neuen vietnamesischen Radl-Kumpel Thai (Wie kommen vietnamesische Eltern auf den Namen "Thai" für ihr Kind?) Tine´s Geburtstag an einem sehr besonderen kristallblauen Wasserfall, genossen die laotische Brot- und Braukunst und hatten einfach Zeit mit einem richtig guten Freund!

 

Doch ursprünglich waren wir ja nur wegen dieser Chinesen nach Luang Prabang gekommen...

Das chinesische Drama

Nicht mal unsere Passbilder waren genehm... So unternahmen wir sogar eine Charakterverwandlung für diese Chinesen!
Nicht mal unsere Passbilder waren genehm... So unternahmen wir sogar eine Charakterverwandlung für diese Chinesen!

Wow! Man wird während einer Reise mit so vielen Grenzübertritten schon zu einem deprimierten Helden bei all der Organisation und Dokumente-Schlacht, um eine Einreisegenehmigung für die jeweiligen Länder zu bekommen.

Doch vor der VISA-Beantragung für das Land China hatten wir trotz all unserer Erfahrung noch etwas Bammel. Und diese Sorgen wurden wahr...

...Zum ersten Mal hatten wir mit unserem Lächeln in einer offiziellen Behörde keinen Erfolg. Der chinesische Drache blieb knallhart! Ließ uns eiskalt herunterlaufen. Bis zum bitteren Ende. Und so verbrachten wir viele Tage mit der Beschaffung unseres gefälschten Papierstapels. 

Was der Drache so alles vorgewiesen haben wollte? Unter anderem Tickets für die Ein- und Ausreise nach und aus China - haben wir als Radreisende natürlich nicht! Deshalb mussten wir ein gefälschtes Einreiseticket kaufen und Flüge aus dem Land für 500 Dollar buchen - zum Glück haben wir das Geld zurück bekommen! 

Wir mussten unser Geldmittel auf dem Konto offenlegen, Unterkunften vorbuchen, uns von einem Bewohner Chinas einladen lassen, einen gesamten Reiseplan erstellen und unsere Auslandskrankenversicherung vorweisen. Der Papierstapel war beeindruckend!

 

Doch der Drache prüfte nicht genug nach, um unserem Geheimnis des Radelns auf die Schliche zu kommen und so sind wir jetzt seeehr stolze Besitzer unseres chinesischen Visums.

 

Nun müssen sie uns nur noch rein lassen!

Wir rollen Richtung chinesische Grenze

Endspurt! Nun trennten uns nur noch die laotischen Hügel vom Zielland unseres großen Radl-Abenteuers. Schön war der Anblick dieser grandios grünen Landschaft.

Noch in keinem Land zuvor haben wir so aufgeregt winkende und dabei lange durchhaltende Kinder erleben dürfen wie in Laos. Die Regenzeit blieb weiter aus. Wo steckt die denn? Alkohol im Straßenverkehr gehört auch in Laos zum Alltag, deshalb versuchten wir immer zum Nachmittag am Ziel zu sein. Je näher wir der Grenze von China kamen, desto mehr schockierte uns der Einfluss des mächtigen Nachbars. Überall chinesische Schriftzeichen, chinesische Stromkraftwerke, chinesische Zugstrecken, chinesische Fabriken. 
Unser ungeschlagenes Fotomotiv wurden die unzähligen Reisterrassen. Jedes Mal aufs Neue ein so besonderer Anblick für uns unwissende Langnasen! Diese waren mittlerweile geflutet (wenn der Bauer genug Wasser zur Verfügung hatte) und die im spiegelnden Wasser stehenden Reisbündel mit den meist bunten Arbeiterinnen hatten es uns wirklich angetan. Wir konnten bei jeder Terrasse anhalten. Und das taten wir dann auch. Wir blieben stehen, schossen Bilder, freuten uns, und freuten uns weiter. Die Menschen auf den Feldern wiederum begannen zu winken und fragten sich wohl, was wir eigentlich fotografierten. Ungefähr so wie ein begeisterter Asiate vor einem deutschen Weizenfeld. Jedes Mal nett!

 

Seht selbst, was uns am Wegesrand sonst so alles begegnete...

 

...Doch dann kam mal wieder alles ganz anders...