Krabbenfuß zum Frühstück.
„Im Leich des chalaktellosen Königs“
Der Wind zerrt an unserem Zelt wie ein ungezogener Hund an der Leine und es ist laut um uns herum. Seit langer Zeit kuscheln wir uns mal wieder unter den Schlafsack. Es ist kühl und feucht. Wir stecken mitten zwischen Regenwolken und warten darauf, dass sie sich aus dem Staub machen und den Gipfel frei geben. Solange rühren wir Haferflocken und Milchpulver mit Wasser an.
Am nächsten Tag klingelt um 4 Uhr morgens der Wecker. Mit Stirnlampen, die vor uns eine Nebelwand produzieren, schleppen wir uns diese viel zu steile Straße hinauf. Oben am Grenzstein, wo Thailand und Laos ihre Nachbarschaft kundtun, warten wir eingemummelt im Morgengrauen. Den Kaffee haben wir im Zelt vergessen. Es wird Tag. Doch wir bleiben eingehüllt in Wolken...
Wir sind in den Bergen im Norden Thailands.
Wir schnuppern Thailand
Thailand hat uns mehr als positiv überrascht! Beide sind wir nicht sehr neugierig über die Grenze geschritten, haben wir das Land doch hauptsächlich mit Party- und Sextourismus verbunden. Schon dumm, dass wir uns nie überlegt haben, dass der Tourismus, von dem wir in Deutschland hörten, nicht das ganze Land widerspiegelt!
Tatsächlich haben wir nichts von alledem mitbekommen. Wir haben das Land komplett in ländlichen Gegenden durchquert, haben keine Touristen getroffen und einfach Dörfer erkundet oder in diesen nächtigen dürfen. Die Thailänder haben wir als sehr freundlich und vor allem als die entspanntesten & unaufdringlichsten Menschen überhaupt wahrgenommen.
Und so verbrachten wir eine für uns sehr besondere Zeit: zwei völlig unspektakuläre, sorglose, stressfreie und wahnsinnig entspannte Radlwochen, wo unser Zelt immer irgendwo zwischen Menschen sein Plätzchen fand. Normalerweise sind viele Abende bei Menschen – wenn sie auch die wertvollsten sind - kräftezehrend, weil wir so viel erzählen, selbst wissen wollen und dauerhaft präsent sein müssen. Doch mit den Thailändern war das anders - sie sind interessiert, gehen aber bald ihre eigenen Wege. Vor allem nach der sehr intensiven Zeit in Myanmar freuten wir uns sehr daran ein Mal unser eigenes Ding zu machen und genossen die Ruhe.
Abgesehen von der Bergwelt war die Landschaft echt nicht beeindruckend und wir fühlten uns eher wie im Allgäu auf der Landstraße zwischen ein paar Dörfern oder an der Donau in Ungarn, wären die Häuser nicht auf Stelzen gewesen und das Essen in den Radlpausen so scharf...
Zur Beschreibung der Monotonie im Land: Wir fahren durch Long, um am nächsten Abend in Song zu übernachten. Von dort aus zeigen uns sie Schilder nach Pong den Weg. Alles sehr konstant eben!
Wir hatten großes Vertrauen in die Menschen hier und der Austausch gelang uns einfach. So ließen wir unsere Räder stehen und gingen gemeinsam auf den Markt, zelteten an öffentlichen Plätzen, ließen unser Zelt mit unseren Sachen zurück, um die Umgebung zu erkunden. In den Monaten davor erschien uns das unmöglich!
Auch haben wir noch nie so einfach wie hier in Thailand unsere Schlafplätze gefunden. Es schien einfach überall möglich, und nirgends und nichts ein Problem.
Auszug aus dem Tagebuch.
Ich sitze zwischen Sportgeräten im Stadtpark vor der öffentlichen Toilette und höre zum hundertsten Mal das gleiche lustige Lied der Tanzgruppe am anderen Ende des Parks. Nach diesem Abend sollten sie die Choreographie beherrschen! Rechts neben mir zwischen den Geräten turteln zwei Teenager beim Alibi-Sport. Links sitzt der kochende Tommi auf der Wiese, dahinter trainiert die regionale Senioren-Boule-Gruppe in rosa Trikots. Vor mir die coolen Basketball-Jungs mit viel zu großen Kleidern. Das Zelt bauen wir erst bei Dunkelheit vor dem Schlafengehen auf, nachdem wir uns mit dem Schlauch hinter dem Toilettenhäuschen versteckt geduscht haben.
In einer Schule, bei Cafés, in Stadtparks, auf einem Sportplatz, vor dem Tempel...
So sind wir nun zwei Wochen quer durchs Land geradelt, haben uns im Fluss erfrischt, uns durch die Straßenstände probiert, Kilometer gerockt und noch jeden Tag ein Plätzchen mit Wasser gefunden.
Es war ein Paradies hier für uns zum Radeln. Selbst die abgelegenen Straßen sind in feinstem Zustand und schienen vom König in Auftrag gegeben und nur für uns gemacht – so wenig Verkehr wie hier war. Und es gibt einfach überall schnuckelige Cafés am Straßenrand. Dass eine Nation wert auf Kaffeekonsum legt, das gab es schon seit vielen Monaten & vielen Ländern nicht mehr. Eigentlich die gesamte Reise nicht. Fanden wir gut, unterstützten wir tatkräftig. Dahin floss auch das meiste unserer Reisekasse...
Gut angelegt also.
Ein Kapitel zur Tierwelt
Das Einzige, was unsere Gedanken in Thailand ein wenig auf Trab hielt, war diese wilde und uns fremde Tierwelt. Neben den üblichen Verdächtigen – Tiger, Elefanten, Spinnen, gibt es hier eine Masse an Schlangenarten und sonstige giftige Tiere. Wer mehr dazu lesen mag, hier ist einiges erklärt.
Gleich am ersten Abend, als wir an einem Wasserfall nächtigten, fanden wir unter einem Stein einen mindestens 23 Zentimeter langen Hundertfüßer – was für gruselige Fühler!
Schlangen sahen wir alle paar Meter tot gefahren auf den Straßen (und Skorpione), wir trafen aber auch einige von ihnen lebendig an.
Wilde Tiger oder Elefanten haben wir nicht erblickt, als wir durch die Nationalparks in der thailändischen Hügelwelt kurvten. Aber einen Haufen Warnschilder. Und irgendwann am Straßenrand Spuren von wilden Elefanten. Sie waren also ganz nah!
So viele Schmetterlinge wie in Thailand haben wir noch nie gesehen! Beim Radeln schwirrte es nur so um uns – in allen Farben.
Wer inzwischen übrigens auch zu unserem Alltag dazu gehört, sind die Gekkos. Schrie Tine in Nepal noch panisch auf, als sich der erste kleine Wicht in unser Zimmer verirrte, fühlen wir uns nun fast schon ein wenig einsam, wenn wir mal ohne Begleitung eine Toilette besuchen. Danke Euch, dass Ihr die Moskito-Plage zumindest ein bisschen in Zaum haltet!
Wir blieben von Schlangenbissen verschont, haben keinen Tiger erblickt und die Echsen haben uns lediglich mit ihren unglaublich lauten Lockrufen beiseite gestanden.
Unerfüllte Wünsche
Wir können uns ja wirklich nicht beschweren! Seit Myanmar haben wir es wieder so gut auf dem Radl, mit unserem Zelt und den Menschen um uns herum.
Nur eine Sache kommt bei unserer Reise wirklich kurz: Unser Vorhaben als Freiwillige mitzuarbeiten. Seit Armenien recherchierten wir, traten mit mindestens 100 Stellen in Kontakt, machten Institutionen zum Mitarbeiten klar und immer gab es irgendeinen Grund, weshalb es am Ende nicht zustande kam.
Konkret wollten wir in Nepal in einem Kinderheim mit integrierter Schule erlebnispädagogische Programme für die Schulklassen anbieten. Spontan wurde uns abgesagt. In Myanmar wollten wir auf einer Kaffeefarm mitarbeiten, doch wir haben keinen für beide Seiten passenden Zeitraum finden können, war unsere Visumszeit doch knapp bemessen.
Und in Thailand sollte es dann endlich soweit sein. Wir haben eine wunderbare Farm gefunden, unser Kommen abgeklärt und somit unsere gesamte Route nach diesem Hof abgestimmt. Voller Vorfreude auf tatkräftiges Anpacken, einen Alltag und Routine, ein festes Umfeld, ein bisschen Zuhause und ganz viel Lernen traten wir in die Pedale. Drei Tage vor Ankunft sagte uns der Landwirt ohne wirkliche Begründung ab.
Doch wir bleiben dran! Auch wenn das mit den engen Zeiträumen der Visa und der zurückzulegenden Route oft schwer zu vereinbaren ist...
der tätowierte Mönch
Hier in Thailand war es endlich so weit: Zwei Mal durften wir auf einem Tempelgelände übernachten. An einem Morgen freute sich der Mönch tatsächlich mit uns zu frühstücken, und so saßen wir gemeinsam vor dem Tempel unter majestätischen Bäumen, genossen angerührten Pulverkaffee und Teigwaren. Der Mönch war ein unglaublich cooler und tiefenentspannter Typ. Und komplett tätowiert – sogar auf dem Hinterkopf. Wir löcherten ihn mit Fragen und hatten echt interessante Gespräche über Mönche, die in den Wäldern leben, seinen Werdegang und die lebenslange Ausbildung.
Als wir uns irgendwann mit dem Übersetzer seines Smartphones für seine Geduld all unsere Fragen zu beantworten bedankten, antwortete er lediglich:
"It´s okay. I am a fascinating thing."
Der Hammer, der Typ!
Schließlich wurden wir tatsächlich noch belohnt, diese fiesen und viel zu vielen Höhenmeter auf dem Fahrrad haben sich ausgezahlt und die schnellen Wolken gaben immer wieder für kurze Zeit den Blick frei:
Wir stehen auf dem beeindruckenden Phu Chi Fa-Felsen und sehen in die fernen Täler von Laos, wo sich zwischen den blauen Hügeln und schroffen Bergen ruhig der Mekong hindurch schlängelt.
In wenigen Tagen sind wir selbst dort.