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Von den (Un-)Rechten der Frauen im Iran und den Lügen in der Gesellschaft.

Von den (Un-)Rechten der Frauen im Iran...

...und den Lügen in der Gesellschaft.

Bevor wir in den Iran reisten, konnten wir absolut nicht einschätzen, wie sich das Leben für uns anfühlen wird. Genauso, wie wir keine Ahnung davon hatten, wie sich die Einwohner des Irans in ihrem Regelwerk bewegen und fühlen.

Wir hatten lediglich eine grobe Vorstellung vom Leben im Iran und allgemein in muslimischen Ländern aus Medien, Foren und Reiseberichten und von Erzählungen unseres Freundes Shahabs.

 

Besonders die Rolle der Frau im Iran war für uns etwas komplett Neues. Von Land zu Land merkten wir auf unserer Reise mehr, wie die gesellschaftliche Rolle der Frau mehr und mehr hinter den Herd rückte. Doch im Iran, so wussten wir, wird diese Rolle auch von gesetzlicher Seite untermauert. Ungleichberechtigung der Frau ist im Iran nicht nur eine Frage von Tradition, sondern von der Politik gewollt und forciert.

 

...Und wir radelten im Iran ein und erlebten die Lebhaftigkeit der Kopftuchdamen! Aus Angst irgendeiner Unsitte zum Opfer zu fallen, wollten wir alles richtig machen und verhielten uns deshalb anfangs viel steifer, als uns das trubelige Leben entgegenwehte. 

Doch die Einschränkungen bleiben erhalten.

 

 

Während unseres Aufenthaltes im Iran haben wir so vielen wertvollen Geschichten gelauscht, erlebten dabei zu viele Schockmomente über die Tatsachen in den Erzählungen und möchten Euch nun, da wir das Land verlassen haben, gerne einen kleinen Einblick geben.

 

Die Frau im Iran


 

Einfach nur knallhart ist, dass Mädchen von Kindesbeinen an in Kindergarten & Schule eingetrichtert wird, dass sie schuld haben:

Gibt es eine Naturkatastrophe oder gesellschaftliche Schwierigkeiten, wird den Mädchen daraufhin erzählt, dass sie schuld daran seien, weil sie beispielsweise das Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben. Dies zieht sich durch bis ins Erwachsenenalter, weshalb die Mädchen von klein auf mit Schuldgefühlen groß werden müssen. Eigentlich hatten wir das nur in einer Dokumentation gehört - doch unsere Iranerinnen bestätigten das durchgehend.

 

Der Gebots- bzw. Verbotskatalog einer iranischen Frau ist groß:

* Tanzen verboten.

* Singen verboten.

* Schwimmen nur an von Männern nicht einsehbaren Orten.

* Scheiden lassen verboten. (Der Mann darf das; er darf sogar mehrere Frauen haben.)

* Führerschein für das Motorrad verboten.

 

Außerdem sind die Rechte der Frau in dem Zusammenhang eingeschränkt, dass sie nicht frei ist ihre eigenen Wege zu gehen. Möchte sie einen Pass beantragen und ins Ausland reisen, geht das nur mit Einverständnis des Vaters oder später des Ehemanns, der eine Bescheinigung ausstellen muss. 

 

Auch vor Gericht bleiben die Aussagen einer Frau mit weniger Gewichtung, als die eines Mannes. In einem Rechtsstreit bleiben die Chances einer Frau also gering.

 

Und natürlich bleibt es für jede Frau, auch für Tine als Touristin, unerlässlich nur mit angemessener Kleidung das Haus zu verlassen. Schon kleine Mädchen tragen eine Schuluniform mit Kopftuch. Das ganze Leben über verlassen Frauen das Haus nur verschleiert. Vor allem in größeren Städten lockert sich dies zwar und das Kopftuch hängt eher am Hinterkopf. Nichts desto trotz sollten Haare und Hals bedeckt sein, und lange Kleidung getragen werden - das Oberteil über die Hüfte.

Mit dieser Tatsache hat es uns unglaublich schockiert zu erfahren, wie die Ehevorbereitungen über lange Zeit abliefen und auch heute noch eher auf dem ländlichen Raum vorkommen können. Hier hat der zukünftige Ehemann in einem einmaligen 40-minütigen Gespräch das Recht den Körper der Frau zu sehen, um zu entscheiden, ob er diesen akzeptiert. Die Frau muss sich daraufhin komplett entkleiden und präsentieren. Der Gedanke als Frau im Iran immer verschleiert sein zu müssen und sich plötzlich komplett zu entblößen, erscheint uns als unglaubliche Hürde & Schmach.

 

Geschlechtertrennung und Partnerschaft unter der Fuchtel des Staates

Schon im Kindergarten und in der Schule geht es los. Es herrscht strikte Geschlechtertrennung im Land, und Mädchen und Jungen haben getrennten Unterricht. Damit sie sich in der Schule auch ja nicht begegnen, haben die eine Woche die Jungs morgens Schule und die Mädchen nachmittags, die andere Woche umgekehrt. Eigentlich begegnen sich Mädchen und Jungen kaum, auch in der Freizeit sind sie voneinander abgeschottet. In etwas freiheitlicheren Familien sind die Kinder zumindest mit Geschwistern und Cousinen & Cousins im spielenden Austausch. 

 

Dies zieht sich weiter, denn unverheiratet mit dem anderen Geschlecht Zeit zu verbringen, ist untersagt. Trifft man sich also als Freundesgruppe - auch Zuhause -, kann man nur hoffen, dass nicht die Polizei kommt, um unverheiratete Personen der Gruppe zu entziehen.

So einen passenden Partner zu finden, gestaltet sich folglich als sehr schwierig. Wo denn auch? Ist das Treffen ja immerzu illegal.

 

Wenn es ein Paar nach all den Verhandlungen mit der Familie dann endlich mal zu einer Eheschließung gebracht hat, müssen diese immer eine Heiratsbescheinigung mit sich führen. Gemeinsam als Mann und Frau auf der Straße unterwegs zu sein, wird nämlich regelmäßig kontrolliert.

 

Die Finger des Staates reichen weit

Wir möchten hier keinen weitläufigen Bericht über die politischen Aktivitäten im Iran veröffentlichen. Lediglich einzelne Geschichten, die uns doch sehr berührt oder getroffen haben, sollen hier erwähnt werden. Den allgemeinen Zusammenhang können wir nicht überblicken und er würde sowieso nicht in einem kleinen Blog-Artikel Platz finden.

Anmerken möchten wir dabei, dass alle Fakten auf Erzählungen von Iranern beruhen und wir nicht bestätigen können, ob diese der Wahrheit entsprechen.

 

Internationale Nachrichten und Störwellen.

Internationales Radio und Fernsehen ist natürlich verboten! Nichts desto trotz empfängt der Großteil der Bevölkerung über Satellit internationale Nachrichten. Gibt es aktuell international schlechte Schlagzeilen über den Iran, sendet die Regierung über Stunden oder Tage Störwellen, um das Volk von internationalem Informationsverkehr abzuschotten.

 

Demonstrationen im Iran.

Wenn Teile der Bevölkerung beschließen friedlich zu demonstrieren, geht die Regierung im Normalfall in mehreren Schritten vor. Zuerst werden einzelne Demonstrationsteilnehmende bestochen aufzuhören. Gehen die Demonstrationen weiter, werden Regierungsmänner eingeschleust, die gewalttätig auftreten. Daraufhin hat der Staat das Recht, die Demonstration abzubrechen und Demonstrierende zu verhaften. Als letzte Maßnahme werden Streikende zum Tode verurteilt, wie es beispielsweite beim Trucker-Streik im Oktober 2018 der Fall war. 

Demonstrierende, die nicht zum Tode verurteilt werden, erhalten lebenslanges Ausreiseverbot aus dem Land, um ihre Kritik über einzelne Thematiken oder den iranischen Staat nicht in die Welt tragen zu können.

 

 

 

Die Rolle des Präsidenten.

Auch wenn es schon fortschrittlich ist einen progressiveren Präsidenten im Land zu haben, bringt das erstmal relativ wenig. Denn nach wie vor hat der religiöse Führer das Sagen. Auch wenn der Präsident eine neue Regelung erlässt, muss diese vom Führer abgesegnet werden. Deshalb hat Präsident eigentlich keinerlei Entscheidungsgewalt.

Diese Tatsache erzeugt beim Volk Desillusionierung. Viele gehen nicht mehr wählen.

Trotz allem ist es schon mal ein Anfang, dass ein fortschrittlicher Präsident wenigstens eine neue Richtung vorgeben und neue Ideen streuen kann!

 

Verbote und was Hinter der Wohnungstüre passiert

Öffentlich Karten spielen = verboten.

 

Alkohol konsumieren = natürlich verboten!

Folge: Geldstrafe und 80 Peitschenhiebe. Hierbei wird der Beamte aber oft mit Geld bestochen. Zur Abschreckung der anderen werden die Peitschenhiebe trotzdem an der Wand im Nebenzimmer vorgenommen.

 

Verbote hier, Verbote da, Verbote dort.

 

Wohl in keinem Land passt dieses Sprichwort besser: "Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden."

Was hinter den Haustüren passiert - was die Frau angeht, das Ausleben von Partnerschaften, sowie der verbotene Konsum von Alkohol -, ist allerdings eine ganz andere Geschichte!

Jetzt wundert uns nicht mehr, dass sich so viel des Lebens und Alltags im Iran Zuhause hinter verschlossenen Türen abspielt.

 

Da vom Staat so viel verboten wird (scheinbar auf den Worten im Koran beruhend), sind die Iraner ganz schön gut im Lügen und Flunkern. Was bleibt einem auch anderes übrig?

Inoffizielle Parties, selbstgebrannter Alkohol, unechte Eheringe, eine Männer-WG als Tarnkappe einer gleichgeschlechtlichen Beziehung... So vieles im Alltag eine Farce!

 

...Dass im Koran auch Lügen verboten ist, darüber spricht dabei niemand.

 

Öffne Deinen Blick.

All diese Tatsachen, Einschränkungen und Verbote herrschen zwar im Land vor, ändern aber nichts daran, dass viele Iraner, mit denen wir Zeit verbracht haben, all dies leben, was eigentlich verboten, aber für uns so normal ist.

Auch im Iran leben Menschen ihre Leidenschaften, haben Beziehungen ohne Heirat, lieben, tanzen, feiern und trinken. 

Der Unterschied ist, dass es öffentlich verboten ist und sie mit der Angst leben müssen, jederzeit dafür belangt zu werden.

 

Wir haben die Iraner, neben der im Moment angespannten wirtschaftlichen, politischen & gesellschaftlichen Situation, als unglaublich fröhlich und herzlich wahrgenommen. Zwischen den rechtlichen Vorgaben und unseren tatsächlichen Erlebnissen herrscht eine große Kluft.