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5608 Kilometer - Kamele statt Adventskranz.

Kamele statt Adventskranz

Wie wir kreuz & quer durch den Iran reisen.

Die letzten Wochen waren neben vielen Blickwinkeln auf neue Ecken des Irans mit vielen Überlegungen und Organisationsarbeit bestückt. Denn das Ende des Iran-Visums rückte näher und der Plan für die Weiterreise danach fehlte. 

Unsere eigentliche Reiseroute durch den Norden nach China liegt im tiefsten Winter. Und um die alternative Südroute über Indien zu radeln, liegt Pakistan im Weg. Eine Möglichkeit um Pakistan herum über Wasser gibt es nicht. Auch wenn wir ursprünglich das Fahrrad als Reisemittel gewählt haben, um im Notfall Krisengebiete überfliegen zu können, wollten wir wirklich ungerne in den Flieger steigen. Seit der Haustüre haben wir jede kulturelle und landschaftliche Veränderung langsam und hautnah miterleben können. Wir haben die Kilometer gespürt und waren die Akteure der Route. Aber Jammern hilft nichts... 

Nun haben wir endlich einen Plan, den wir nach vielen Diskussionen und Abwägen inzwischen stolz und vorfreudig präsentieren:

 

Zwischen Weihnachten und Silvester steigen wir in den Flieger! Wir überfliegen Pakistan und starten nach Neujahr von Neu-Delhi aus in eine neue Etappe. Nach Nepal. 

 

 

Deshalb sitzen wir inzwischen in der smog-behafteten und von Bergen umringten wuseligen Hauptstadt Teheran in den Startlöchern. Wir organisieren unser Visum, suchen Kisten, damit unsere Fahrräder den Flug überstehen, lassen uns aus unzähligen Hotlines herauswerfen, irren durch die Stadt... Und Weihnachten steht auch schon vor der Türe.

 

Doch was ist in der Zwischenzeit alles passiert, seit wir nach 23 Stunden Zugfahrt im Nachtzug in Teheran eingerattert sind?

 

Unser eigentlicher Grund den Iran zu bereisen: SHahab.

Plötzlich stand er in Yazd, um uns abzuholen.

 

Doch was hat es eigentlich mit diesem Shahab auf sich?

Mit diesem verrückten lieben Kerl durfte Tine in Freiburg für über ein Jahr die Männer-WG teilen. Shahab ist gebürtiger Iraner und eröffnete uns im vergangenen Jahr, dass er zurück in die Heimat ziehen möchte. Da fackelten wir nicht lange und beschlossen: wenn er in den Iran zieht, kommen wir ihn mit dem Radl besuchen! Und so stand die Reiseroute in den Iran. Und irgendwann er vor uns.

 

Ein Geschenk, dass wir nicht zu beschreiben vermögen: Wir durften seine gesammelte Familie kennenlernen, von der er in Deutschland eigentlich nie sprach. Wir erkundeten seine Heimatstadt Shiraz, fuhren zur Familie seiner Schwester an die Küste nach Bandar-Abbas und wurden dort herzlichst in die Familie aufgenommen. Mit seiner Nichte und seinem Neffen spielten wir unzählige Runden Schach, verwöhnten uns gegenseitig mit Musikständchen. Seine Schwester bekochte uns vom Feinsten! Wir halfen in der Metzgerei des Schwagers mit neuen persönlichen Rezeptkreationen aus. Ob die gefüllten Pilze weiterhin in der Verkaufstheke zu finden sind, ist fraglich. 

Und die Abende oder besser gesagt die Nächte verbrachten wir in einem Haus abseits der Stadt, das sein Freund Ahmad organisiert hatte und machten illegal Party. Wie eine iranische Party aussieht? Zuerst einmal muss man sich Alkohol beschaffen. Gar nicht so einfach, ist dieser doch im Iran verboten. Dazu braucht man wie in Deutschland z. B. für Gras einen richtigen Dealer. Wenn man den in Wasserflaschen getarnten Alkohol dann endlich organisiert hat, muss man sich an den Polizeikontrollen vorbei schummeln und dann ein möglichst abgelegenes Fleckchen suchen, um nicht von diesen entdeckt zu werden. Wir tanzten, machten fleißig Feuer und aßen Massen an feinem Kebab aus der Metzgerei. Und es war einfach nur ulkig für uns. Denn: Iraner scheinen wirklich nicht so viel zu vertragen, und so war die Stimmung bereits nach einer halben Stunde und dem ersten Gläschen am Beben! 

 

Am Ende der Zeit stand schon wieder ein knallharter Abschied bevor. Mit der Familie vielleicht für immer.

 

Ab auf die Insel!

Eigentlich gab es ja keinen wirklichen Plan, wie unsere Zeit im Iran eigentlich aussehen wird. Dass wir am Ende tatsächlich noch auf einer Insel im persischen Golf landen würden, hatten wir absolut nicht erwartet, war aber ganz wunderbar.

Eine Insel voller Kamele. Wir haben diese Tiere so gefeiert. Deshalb haben wir fast jedes Kamel am Straßenrand besucht, uns ein wenig unterhalten und so viele Fotoshootings gemacht. Schaut selbst!

 

Die Bilder erzählen viele Geschichten von der Insel, die wir hier gar nicht alle erzählen können.

Einige Stichworte:

Illegales Damenbad * 2 Tage unter Campern * Plankton überflutet nachts das Wasser (Nein, das ist keine

Fotobearbeitung!) * Übernacht im Wohnzimmer des Imams * Thorsten, das Kamel * Fritzi, die Kojotin * Bunt wackelnde Küken

im Hinterhof des Supermarkts * Salzhöhle und Sandstein-Säulen im "Valley of the Stars" * Fisch, Fisch, Fisch * Der Belgier

zu Besuch * Erster Kakerlaken-Alarm

Wer Fragen dazu hat, kann nachfragen.

 

Außerdem organisierten wir die komplette Weiterreise, bevor wir uns mit Sack & Pack am Gleis wiederfanden und in den Nachtzug stiegen, der uns in den Winter Teherans transportierte.

 

Viel gereist, wenig geradelt.

Was wir im Iran für unsere weitere Reise mit dem Radl gelernt haben: Wir brauchen ein Ziel und wollen diesem auch entgegen radeln. Sonst macht das Radeln für uns gar keinen Sinn.

Eigentlich haben wir im Iran wie Könige gelebt. Wir radelten nur die schönsten Strecken, wurden so gastfreundlich umworben, konnten uns aufgrund der Inflation alles sehr einfach leisten. Trotzdem fühlten wir uns im Laufe der Reise hier etwas fehl am Platz. Wir fuhren keinem richtigen Ziel entgegen und prinzipiell sehr wenig Fahrrad, verbrachten unglaublich viel Zeit in Städten mit so vielen Menschen und meist ohne unser Zelt, erlebten die zurückgelegten Strecken mit anderen Verkehrsmitteln lang nicht so intensiv und verkehrten wie die Wilden zwischen den Jahreszeiten.

Auch wenn wir es feiern unsere Reise auch mit anderen Fortbewegungsmitteln zu begehen und diese Erlebnisse sehr genießen, sollen diese nicht das Radeln ersetzen. Im Iran kamen wir oft nicht drum herum, weil die Entfernungen zu groß waren für die geringe Zeit, uns die Zeit vor Ort mit Menschen oft wichtiger war oder wir mit Shahab ohne Fahrrad gereist sind. Trotz allem haben wir gemerkt, wie diese Art des Reisens uns auf längere Zeit die Radl-Motivation raubt. Daraus hatte sich eine kleine Reisekrise entwickelt. Wir fühlten uns unwohl mit dem "Schön-Wetter-Radeln" und haben Abenteuer, Draußen sein und Freiheitsgefühl richtig vermisst.

Nun freuen wir uns richtig in Indien wieder durchzustarten und aus eigener Kraft unserem Ziel entgegen zu radeln.

 

Weihnachten im Schnee

Teheran stellt für uns eine neue Dimension an Großstadt dar. Entweder man schwimmt in derselben Geschwindigkeit und derselben Hektik mit den flitzenden Motorrädern und eilenden Menschen mit, oder man hat keine Chance. Überall Menschen, überall Stau. Aber irgendwie mögen wir es trotzdem hier. 

So westlich haben wir es im ganzen Iran noch nicht erlebt. Und am Ende haben sich hier so viele Menschen in der Stadt vereinigt, die wir in den vergangenen Wochen & Monaten im Iran und den Ländern davor haben kennenlernen dürfen. So viele Zufälle trafen aufeinander und wir sahen überraschend viele reisende Freunde und bekannte Gesichter wieder, die sich durch genau solche kuriosen Zufälle ebenfalls kannten. Und nun sind wir im Hostel ein großer Haufen, in dem sich alle von irgendwo her kennen und jeder miteinander eine andere Kennenlern-Geschichte teilt. 

 

Am Rande der Millionenstadt Teheran. Vom Milad-Tower (435 m) aus.
Am Rande der Millionenstadt Teheran. Vom Milad-Tower (435 m) aus.

 

Das Ende der Zeit im Iran naht. Und so enden nun auch bald die doch sehr skurrilen kleinen Geschichten des Alltags.

* Setzen wir uns in einem Restaurant an den Tisch, bietet uns der Nachbartisch im Normalfall direkt an bei ihnen mitzuessen. (Taroof!)

* Das wird in Indien nicht besser, aber nichts desto trotz: Tetris auf dem Motorrad. Die ganze Familie fährt im Normalfall auf einem Motorrad mit. Papa fährt, hinten die Mama. Zwischendrin das Kind. Auf Muttis Schoß ein Säugling. Alle sehr entspannt, natürlich ohne Helm. 

* Wenn Du keine Lösung hast, trink einen Tee. Wenn Du eine Lösung hast, auch. Am Abend ein Bierchen? Warum, es gibt doch auch Tee.  Kommt ein Radfahrer vorbei, lade ihn selbstverständlich zum Tee ein. 

 

Vermissen werden wir auf jeden Fall nicht dieses Bürokratie-Chaos im Land, das uns so viele Tage Arbeit gekostet hat, den immer wieder selben Smalltalk und die Tatsache, dass Dir jeder immer hilft, auch wenn er keine Ahnung hat, um was es geht. Zum Schießen lustig eigentlich! Aber nicht, wenn Du darauf angewiesen bist oder es vielleicht selbst schneller lösen könntest und dadurch aber schon wieder in die falsche Richtung geschickt wirst.

 

Nun machen wir uns auf und suchen im Schnee Weihnachtsstimmung. So weit weg und ohne unsere Familien gar nicht so einfach. 

Deshalb reisen wir für drei Tage in die Berge, wo wir Besinnlichkeit erleben können, während der Schnee alle Geräusche verschluckt, und uns dank dem Rolling-Support Pistenspaß gönnen. 

Ab dem 29. Dezember lassen wir uns dann von der Metropole Neu-Delhi verschlucken.

 

Auf ein offiziell erlaubtes Bier dort zu Neujahr freuen wir uns schon seit der Buchung des Fluges. 

 

Fröhliche Weihnachten an Alle.