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4085 Kilometer - Zwischen Hauptstadt und Kaukasus.

Long-Time-Stay in Georgia

Auch die eigenen Füße und Kleinbusse machen Landerkundungen möglich

Heute empfehlen wir als musikalische Untermalung - wenn auch kulturell sehr unpassend: Jaqee - Miracle.

 

GeorgiEN: Ein Überblick

Habt Ihr keine Angst auf den Straßen bei diesen georgischen Raudis? Was isst man denn in Georgien? Spürt man, dass der letzte Krieg im Land erst 10 Jahre her ist? Und wie verständigt Ihr Euch eigentlich?

Nachdem wir nun schon über eineinhalb Monate im Land sind, möchten wir einen kleinen Überblick zu einigen Themen geben.

(Erst in den darauffolgenden Abschnitten geht es um unsere Erlebnisse im Land. Wer also keine Lust auf georgische Details hat, liest einfach weiter unten weiter...)

 

Das Essen.

Fein ist es allemal, die traditionelle georgische Küche. Viele Gewürze erfüllen die Geschmacksknospen. Dies ist auf die geografische Lage Georgiens zurückzuführen, da die Handelsrouten mit Gewürzen hier durchführten.

Wir durften schon eine Masse an unterschiedlichen deftigen Gerichten kosten, da sich gerade in den Guesthouses die Tische meist bogen vor Essen. Und der Genuss von feinen Speisen ist neben dem Wein wirklich ein hohes Gut im Land!

Zwei Dinge sind allgegenwärtig:

khachapuri - eine pervers gefüllte Teigtaschen - rund oder an der Küste schiffförmig. Gefüllt mit Käse (meistens), Fleisch (oft) oder allem anderen, was man sich vorstellen kann. Es ersetzt die gute Butterbrezel und rettete uns schon oft über den Tag oder half uns aus energieschwindenden Momenten.

Außerdem khinkali. Hierbei handelt es sich um georgische Maultaschen mit ebenso allerlei Füllungen. Die Form können wir nicht beschreiben, zu verrückt. Diese Köstlichkeit isst man mit der Hand: Man greift die Spitze, beißt in den dicken Teil, schlürft die Brühe hinaus, isst weiter. Die Spitze ist hart und wird an den Tellerrand gelegt. So lässt sich schnell der Sieger der Mahlzeit ermitteln! (Bilder dazu folgen im nächsten Artikel.)

Außerdem ist das Brot, das wir in Georgien bekommen, nach vielen Monaten endlich wieder fein und mit Kruste. Es gibt an jeder Ecke Bäckerläden, in denen die schifförmigen Brotschwerte gebacken werden: Dazu gibt es einen runden Ofen aus Ton, an dessen Innenseite die Teiglinge an die Wand geklebt werden, um dort zu backen.

 

Der Verkehr.

...ist - entgegen unserer Befürchtungen, entgegen aller Aussagen aus georgischen Mündern und entgegen aller Warnungen von anderen radelnden Blog-Schreibern, zwar rasant und mit einer Wucht an Macho-Gehabe. Aber: wir fühlen uns nicht sicherer oder unsicherer als zuvor. Im Gegenteil. Hier sind es Verkehrsteilnehmende gewohnt (anders als noch in Deutschland oder Österreich), dass sich im Straßenverkehr langsamere Gefährte bewegen, auf welche schnell zu reagieren ist. So bewegten wir uns (wenn auch aus der Not heraus) sogar auf einer 8-spurigen Straße und überlebten es gut.

 

Die Sprache.

Die Amtssprache im Land ist georgisch = ქართული ენა. Sie gehört der kaukasischen Sprachfamilie an. Die georgischen Buchstaben sehen fremd und wunderschön aus und es gibt 33 von ihnen. Lesen können wir nichts, erahnen auch nichts mehr. 

Das Verständigen wird deshalb jeden Tag aufs Neue spannend. Die wichtigsten Worte beherrschen wir, aber danach ist es auch schon vorbei von unserer Seite. Die älteren Herrschaften im Land sprechen im Normalfall russisch, womit wir auch nicht dienen können. Georgier, die jünger als 35 sind, sind dagegen eher im Englischen vertraut, da ab dann im Land von russischem Sprachunterricht auf Englisch umgestellt wurde. Nichts desto Trotz basiert unsere Kommunikation auf dem Land größtenteils auf Zeichensprache und Geräuschen. In der Stadt können wir dann auf Englisch all unsere Fragen los werden.

 

Das Volk.

Ist stolz. Und zufrieden. So unser Eindruck. Während wir in Rumänien und Bulgarien noch von einer Depression übermannt wurden, die von vielen Gesprächen mit Einheimischen ausgingen, erzählt uns hier jeder begeistert von seiner Heimat. Wie wir bereits erzählten, bleibt es im Normalfall nicht beim Erzählen - man muss es erleben. So folgen aus der unglaublichen Gastfreundschaft viele Einladungen und Zusammenkünfte, bei denen wir viele Köstlichkeiten, hausgemachten Wein, eine Menge an "Chacha" (Schnaps) und natürlich türkischen Kaffee kosten dürfen und sollen.

In unserer Zeit in Tbilisi kamen wir endlich dazu auf Englisch tiefere Gespräche führen zu können... Hier wurde uns deutlich, dass das Volk aber in Georgien sehr unter der Armut und der schlechten wirtschaftlichen Lage leidet und sich unser Eindruck leider von der strahlenden Gastfreundlichkeit teilweise überdeckt wurde. Trotzdem wird uns erklärt, dass vor allem die Menschen auf dem Land sehr zufrieden und glücklich mit ihrem Leben sind, auch wenn sie weniger haben. Und das teilen sie auch noch großzügig!

 

Geschichte.

Vor genau zehn Jahren herrschte hier im Land noch Krieg. Kaum vorstellbar.

In den 90er Jahren auch. Eigentlich immer im Zusammenhang mit Russland. Aktuell sind deshalb noch immer zwei Gebiete von Russland besetzt, welche 20% der georgischen Landfläche ausmachen. Lest Genaueres selbst nach.

Sagen möchten wir lediglich, dass Kriegszustände noch nicht lange zurück liegen und es somit erstaunlich ist, wie weit das Land seit dem voran gekommen ist. 

Daraus folgend ist es wirklich verwunderlich, wie viele russische Touristen im Land unterwegs sind und mit wie viel Offenheit die Georgier ihnen entgegen treten.

 

Religion.

Es existieren viele Religionen friedlich nebeneinander und werden gegenseitig akzeptiert. Die orthodoxen Christen machen dabei den größten Anteil aus. Die Dichte an Kirchen im Land ist sehr auffällig.

Religion spielt eine wichtige Rolle. Das rührt unter anderem auch daher, dass zu sozialistischen Zeiten jegliche Religion von der Politik unterdrückt wurde. Kirchenräume wurden zu Büros oder Gefängnissen umfunktioniert oder einfach niedergerissen. Wie unsere georgische Stadtführerin treffend beschrieb: "Forbidden fruit is always sweeter!" (Die verbotene Frucht schmeckt immer süßer.) Und so wurde Religion zu etwas sehr Spannendem, dem jeder angehören wollte... So spielt der Glaube auch heute eine große Rolle im Land. Aber auch hier scheiden sich die Geister und viele Georgier geben uns zu verstehen, dass der Glaube in weiten Teilen nur oberflächlich gelebt wird.

 

Wein.

Eine oder vielleicht sogar die Leidenschaft im Land, die seit mindestens 8000 Jahren mit großem Stolz gepflegt wird. Das Besondere daran: die Herstellung wurde seither kaum verändert. Die Maische wird bis zum Schluss mitverwendet und gibt dem Ganzen eine sehr spezielle Note.

Wir hatten gute Erfahrungen. Und auch andere...

 

 

Fazit.

Kommt und sehet selbst. Denn es ist alles bereit.

 

 

Zu viert durch die Kaukasische Bergwelt

Wir sind diesen Sommer ganz schön beschenkt mit Besuchen gewesen. Das erscheint nicht nur von außen betrachtet so -  das ist so. Schon wieder kamen uns liebe Menschen aus der Heimat entgegen, schon wieder erkundeten wir gemeinsam ein Land, schon wieder durften wir Geburtstag feiern. Wir können uns nicht beschweren!

 

Wir trafen uns in den Bergen - im Großen Kaukasus (die größte Gebirgskette im Kaukasus) an der Grenze zu Russland. Wir fuhren nach vielen Stunden Serpentinen, Schlaglöchern, immer opulenter werdenden Bergen und lauter Musik im "Maschrutka" (georgischer Kleinbus) im Bergdorf Mestia ein. ...Und da standen sie einfach: Christoph, Tommi´s bester Freund aus Freiburg, und seine Frau Maren. 

Die gemeinsame Zeit bestand aus Wanderkilometern mit phänomenalen Ausblicken, so viel Ausgelassenheit und Spielen und Spielen und Spielen.

Das Bergdorf Mestia war für uns (Tommi und Tine) zwar der bisher touristischste Ort, an dem wir geweilt haben, aber die Leute, die hier her kommen, wissen auch warum. Spektakuläre Bergwelt mit Blicken auf 4000-er, malerische alte Dörfer mit steinernen Wehrtürmen und wundervolle Wanderwege.

Und so machten wir Vier uns schließlich auch gemeinsam auf gemütliche Vier-Tages-Wandertour auf. 

4 Tage * 60 Kilometer * Höchster Punkt auf 2737 m * 3000 m Aufstieg, 2000 m Abstieg

Die Wanderung, und was wir daraus gemacht haben, war einfach schön. Anders lässt sich das nicht beschreiben. Wie eigentlich immer schenkte uns das Wandern so viel Zeit und Freiraum für ernste Gespräche und Blödsinn.

Was gibt es sonst über die Wanderung zu berichten?

* Die Nächte verbrachten wir in Guesthouses. Die Aufenthalte dort waren jedes Mal ein Ereignis für sich. Die Tische bogen sich vor Essen und wir Wanderer freuten uns wie Schneekönige.

* Die gesamte Tour war und ist in Flip-Flops wanderbar.

* Eine Übermacht an Stieren begleitete uns auf der gesamten Tour und ließ die armen einzelnen Kühe fliehen vor einer zu großen Macht an Testosteron. Wir wissen es nicht mit Sicherheit, vermuten aber, dass die Stiere dort tatsächlich noch viel als Zugtiere eingesetzt werden.

* Gletscherblicke, wie wir es alle noch nie gesehen hatten, begleiteten uns. Genauso wie eine Horde an unterschiedlichen Bergblumen, die einem ein Gefühl eines Alpen-Aufenthaltes vermittelten.

 

Nach der Tour durften wir wiederum Geburtstag feiern. Dieses Mal von Christoph. Der Geburtstagskuchen dazu entstand in der Guesthouse-Küche unter Beobachtung und Mithilfe der Guesthouse-Mama und -Großmama. Er backte geduldig bei drei Stromausfällen vor sich hin. Die Guesthouse-Großmama war schließlich so nervös und verzweifelt, dass sie schon den Holzofen für uns einheizen wollte. Als der Strom schließlich wieder mit uns war, klatschte die Oma strahlend ein! :)

 

In Tiflis wartete schließlich der Abschied. Die Zeit war mal wieder viel zu kurz. Aber das macht die Besuche vielleicht auch so einzigartig und wunderschön! 

 

 

Ein jeder Besuch bedeutet für uns aber auch ein Stück Qual. Zum einen, weil uns ein jedes Mal schmerzlich bewusst wird, was wir in der Heimat alles zurückgelassen haben. Zum anderen, weil wir total aus der Reise rausgerissen werden und uns danach immer wieder zurechtfinden müssen als fremde Einwohner im Land.

...All das ändert allerdings nichts daran, dass wir es mal wieder schwer gefeiert haben. Wir wurden beschenkt mit so viel Freundeszeit, wie es im Alltag Zuhause oft nur schwer leistbar ist. Und wir danken Euch von Herzen, dass wir gemeinsam Berg-Abenteurer sein durften.

  

 

 

Was an dieser Zeit ohne Fahrrad eine wertvolle Erfahrung für uns als Radreisende war:

Wir reisten dieses Mal mit den "Marshrutka" durchs Land. Teilweise über dieselben Straßen, die wir zuletzt eigenständig beradelt hatten. Doch nun, im Minibus sitzend, fühlten wir uns seltsam und kaum anwesend, sondern eher wie Beobachter des Geschehens in den Städten. Wir saßen und betrachteten das Treiben auf den Straßen - und fühlten uns wie Zoobesucher oder Fernseh-Konsumenten - während wir von A nach B bewegt wurden. 

So sehr wurde uns hierbei bewusst, was für ein Geschenk es doch ist auf dem Fahrrad Teil des Straßentrubels und des jeweiligen Moments zu sein. Nicht wegen der Abgase, der Gefahr oder den vielen Asphalt-Anblicken. Aber das Reisen auf dem Radl ermöglicht uns schlichtweg immer dabei zu sein, mit jedem, dem wir begegnen in irgendeiner Weise in Kontakt zu treten und nicht nur einfach durchs Land geschleust zu werden.

Eine sehr schöne Erkenntnis für uns! 

 

 

Tbilisi, Tbilisi - Wie angela und wir die Hauptstadt erkundeten

Angela Merkel war da. Wir auch. Nur, dass wir uns etwas mehr Zeit lassen mit dem Erkunden der Hauptstadt. Ob die vielen Deutschlandflaggen in der ganzen Stadt nun für Angela oder uns aufgehängt wurden - darüber lässt sich streiten...

 

Jedenfalls leben wir nun schon seit mehreren Wochen in Tiflis und es ist schön zum ersten Mal auf der Reise so richtig Teil einer Stadt sein zu dürfen, sich als Bewohner zu fühlen, Alltagswege für sich zu entdecken und jeden Tag ein bisschen mehr dazuzugehören. 

 

Tiflis liegt in einem Kessel umringt von steilen Berghängen, weshalb die Stadt einen Höhenunterschied von fast 400 Höhenmetern aufweist. Die Temperatur ist für uns in diesem Kessel dementsprechend sportlich zur Mittagszeit.

Der georgische Name Tbilisi bedeutet so viel wie "warme Quelle" und erklärt direkt die Vielzahl an Schwefelbädern in der Altstadt. In einem solchen mietet man sich zu sehr erschwinglichem Preis (ca. 10 Euro) einen eigenen Raum mit kleinem Pool und Liegefläche. Nobel geht die Welt zugrunde...

So duftet es in der Altstadt, die am Berg zur Festung hin gebaut ist, nach Schwefel. In den schnuckeligen, engen und gewundenen Kopfsteinpflaster-Gassen der Altstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt werden soll, findet man mit etwas Geduld abseits der Touristenströme wunderbare Innenhöfe mit wehender Wäsche, wildem Wein und detailliert gearbeiteten Balkonen, auf denen die Nachbarn sich alltäglich zum Plausch treffen.

Tiflis ist der gelebte Gegensatz. Läuft man im einen Moment noch durch eine Altstadt-Gasse, steht man plötzlich vor einer futuristischen Brücke, die aussieht wie aus dem Weltall geklaut. Alt und neu, dreckig und geschleckt, liebevoll und lieblos - all das findet man hier direkt nebeneinander. So oder so, uns gefällt es. Die Masse an klapprigen düsenden Taxis, die feinen kleinen Back-Stände, der Blick über die Weite der Stadt, das bunte Treiben.

 

Wir erkunden die Stadt als erste Stadt unserer Reise nicht mit den Rädern sondern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir machen Märkte und Flohmärkte unsicher, schlendern durch die Gassen der Altstadt, ließen unsere Haare scheren, freuen uns am Nachtleben in lauen Sommernächten und an feierlicher Straßenmusik, treffen richtig viele liebe Menschen, die wir auf der Reise getroffen haben. Unter anderem unser liebes Pärchen aus Südtirol, die wir von der Fährfahrt kennen, eine wunderfitzige vierköpfige Familie aus der Schweiz, die sich wie wir mit Rädern und Zelt auf große Reise in die gleiche Richtung begeben haben, und andere Reiseradler. Wir finden Zeit unsere Weiterreise zu organisieren, uns ein Visum und angemessene Kleidung für den Iran zu erkämpfen und uns einen Alltag zurechtzubasteln. 

  

Im Moment arbeiten wir fröhlich in einem sozialen Projekt hier in Tbilisi mit, von dem wir im kommenden Bericht erzählen werden... 

 

(Was wir zu unseren Bildern allgemein anmerken möchten: Damit vor den Bildschirmen kein falsches Bild entsteht - Tbilisi und auch jeder andere von uns bereiste Ort hat durchaus auch unschöne Stellen, die wir oftmals nicht mit der Kamera festgehalten haben. Unsere Bilder geben also nicht die Stadt im Ganzen wieder, sondern zeigen lediglich ein paar für uns interessante Flecken und Momente.)