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3658 Kilometer - Urlaub mit dem Fenster zum Berg.

18 Tage (fast) ohne Fahrrad

Wie wir Bulgarien ohne Räder erkundeten.

Auf Gleisen in das Pirin-Gebirge

In der bulgarischen Hafenstadt Burgas, von wo wir Ende Juli die Fähre nach Georgien nehmen würden, taten wir etwas für uns Verrücktes: Wir ließen unsere Räder in einem Hostel zurück und reisten einfach ohne unsere treuen Gesellen weiter. Denn wir wollten ein wenig Urlaub machen und bulgarisches Gebirge sehen...

So stapften wir früh morgens mit nur zwei Taschen bepackt zum Bahnhof und es fühlte sich so ungewohnt an, so leicht bepackt durch die Welt zu gehen. Wir wollten einige Tage in einem Bergdorf verbringen - dazu reisten wir während zwei Tagen mit dem Zug durchs Land. Und alleine diese Zugreise hat sich gelohnt und war ein feines Abenteuer. Es war so spannend für uns aus einer ganz anderen Perspektive unterwegs zu sein - abseits von Asphalt, Abgasen und Gehupe. Und so genossen wir es fröhlich im alten DB-Zug zu verweilen, die sich so schnell verändernde Landschaft an uns vorbeiziehen zu sehen und die Köpfe in den Wind zu strecken. Die Schaffner kümmerten sich prächtig um uns und ein falsches Aus- oder Umsteigen war so unmöglich. In den kommenden Tagen würden wir weder einen (versteckten) Schlafplatz suchen, eine Route organisieren, Kilometer machen oder auch nur Wasser für eine abendliche Katzenwäsche ausfindig machen müssen. Es fühlte sich nach Freiheit an!

Wir übernachteten im geschichtsträchtigen Plovdiv (Europäische Kulturhauptstadt 2019) und hatten leider viel zu wenig Zeit diese schnuckelige und mediterran wirkende Stadt zu erkunden. Wer in Bulgarien ist, sollte hier nicht dran vorbei fahren!

Der zweite Tag unserer Zugreise wurde dann echt schön und spektakulär, weil wir für fast sechs Stunden mit einer Schmalspurbahn die Berge hinauf schnauften. Wir fuhren bis auf 1267 m, durchquerten fast nicht vorhandene Dörfer und sahen größere und größere Berge... Wir schauten und schauten und freuten uns. 

Im Bergdorf Dobrinishte kamen wir dann in einem Guesthouse unter und wurden von unserem Guesthouse-Papa Slavi rundum versorgt und behütet. Er überraschte uns mit Frühstück, brachte uns mit dem Auto zu unseren Wanderungen, besuchte mit uns Verwandtschaft und gab uns Proviant mit... Gleichzeitig war Slavi´s Gastfreundschaft natürlich auch ziemlich anstrengend, weil die Kommunikation ohne Bulgarisch und Englisch doch sehr mühsam war. Aber das sind wir inzwischen ja gewöhnt und wir können uns glücklich schätzen solche lieben Menschen an unsere Seite geschenkt zu bekommen.

 

Von dort aus begaben wir uns auf zweitägige Wanderschaft und übernachteten auf einer Berghütte. Am ersten Tag erwanderten wir einen ordentlichen Gipfel. Das Wandern war viel anstrengender als erwartet, hatten wir doch gedacht, dass wir vom Radeln nun ordentlich trainiert seien... Schließlich standen wir nach einer Gratbegehung stolz auf dem Berg "Poleschan", einem 2851 m hohem Berg aus Fels und Stein. Ein richtig alpines Feeling erfüllte uns auf dem schroffen Gipfel mit Blick in alle Richtungen.

In der Berghütte wollte der grummelige Rezeptionist uns Touris fast unsere gebuchten Betten nicht geben, weil er ja keine Touristen mit anderen Fremden - oder gar Bulgaren - in ein Zimmer lassen könne. Wir beschwichtigten ihn mit einem tapferen bulgarischen Übersetzer und erlebten einen spektakulären Abend auf der Hütte: 

Eigentlich baten wir nur einen jungen Mann aus einer Gruppe um Hilfe, als wir auf der Hütte an der Ausgabe

unser Essen bestellen wollten und wie immer die kyrillischen Zeichen nicht entziffern konnten...

Schließlich wurden wir von seinem Tisch zum Probieren eines wunderbaren Feigen-Rakijas eingeladen.

Und so saßen wir kurzerhand mit unseren Speisen in mitten einer Geburtstagsfeier,

wurden den ganzen Abend mit Rakija und Wein versorgt und hatten es einfach schön - wie unter Freunden. 

Irgendwann gesellte sich eine Angestellte der Berghütte zu uns - eine alte Dame aus dem Dorf, sang über zwei Stunden mit ihrer kräftigen rauen Stimme und erfüllte damit den ganzen Gastraum. Sie sang sich förmlich in Rage, erzählte im Gesang Geschichten, die immer obszöner zu werden schienen, da unsere bulgarischen Freunde sich irgendwann nicht mehr trauten, den Inhalt zu übersetzen. 

...Am zweiten Wandertag kamen wir spät los.

Wir wollten den Bergsee "Popovo" erkunden, einen See, den wir am Tag zuvor vom Gipfel aus bereits gesehen hatten. Herrlich schön war der, und kalt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. 

 

Die Wilden sieben entdecken versteckte flecken

...Wir wussten, dass wir bald Besuch bekommen sollten. Tine´s Bruder Dirk hatte sich schon zwei Wochen vorher mit Eva und den drei Mädels - Lotta (8), Stella (4) und Paula (1) - im Auto und mit Fahrrädern bepackt von Norddeutschland aus auf den Weg zu uns gemacht, um ein Stück unserer Radreise zu teilen. Was sollte man auch sonst tun in den wohl verdienten Sommerferien, als mit dem Auto und drei Kindern fast 3000 Kilometer gen Osten zu düsen...?!

Wann dieser Besuch allerdings kommen sollte, und wohin in Bulgarien - das hatten wir nie genau geklärt. So rief die gesammelte Familie nachts plötzlich aus dem Auto an, dass sie bald da seien. Und so waren wir schlagartig zu siebt in der Reise-Crew in den schönen bulgarischen Bergen. Wir bauten gemeinsam professionelle Staudämme, erklommen Berge, lebten unser Leben im Bergdorf, Tine war stolz wie Bolle endlich mal wieder "Tante Tine" sein zu dürfen, genossen den Garten unseres Guesthouses mit Spielen, Büchern und zu pflückenden Obststräuchern und es war, als wäre es das Normalste der Welt mit einem Mal vereint Bulgarien unsicher zu machen. Die Mädels lernten fleißig bulgarisch und waren der Hit im Dorf mit ihren blonden Haaren. Die Wanderungen waren jedes Mal schwer amüsant, da die zwei großen Mädels die Touren moderierten, Paula im Trage-Rucksack alle mit Grashalmen kitzelte und wir alle ausgelassen waren als Gipfelflitzer und Bergsee-Erkunder. Wir trotzten einer Vielzahl an Gewittern und Regenschauern und feierten uns am Gipfelkreuz.

Für uns (Tommi und Tine) war die Reizüberflutung durch fünf weitere Menschen um uns herum total abgefahren und wir waren am Abend immer ganz aufgekratzt und überflutet von so vielen gemeinsamen Erlebnissen. Das waren wir ja gar nicht mehr gewöhnt...! Die Fünf machten es uns aber sowas von leicht und wir konnten den Besuch in vollsten Zügen genießen. 

 

Eigentlich hatten wir im Vorhinein ausgemacht uns am Schwarzen Meer zu treffen - und so stand das noch aus, als wir in den Bergen weilten. Also packten wir zum schon voll gepackten Auto auch noch unser Gepäck und machten uns zu siebt und im Auto gestapelt auf in Richtung Küste - wie man das in Bulgarien eben macht. Man muss sich schließlich den örtlichen Gegebenheiten anpassen!

Wir machten einen eintägigen Zwischenstopp im Balkan-Gebirge, um schließlich wiederum an unserem Traumstrand von zwei Wochen vorher zu landen. "Karadere". Und es war wiederum so schön. Nur mit fünf strahlenden Gesichtern mehr, die im Wasser dahin schaukelten! Wir freuten uns an unserem Privatstrand, bauten interessante Schattenspender, überlebten ein weiteres tosendes Unwetter, die Mädels trällerten fleißig zur Ukulele-Musik und wir verbrachten Stunden im Wasser und mit Muschelhandel.

 

Am letzten gemeinsamen Tag zurück in Burgas feierten wir Dirk´s Geburtstag, radelten endlich zu siebt entlang der Küste und verabschiedeten uns schlussendlich während Donnerkrollen mit schwersten Herzen. 

Verwirrt und gedankenverloren standen wir (Tommi und Tine) dann mit gepackten Rädern im Park, verstanden die Welt nicht nun wieder nur zu zweit zu sein und schwangen uns mit unmotivierten Beinen auf unsere Stahlesel, um bei strömendem Regen den Hafen von Burgas aufzusuchen...

...Dort stand schon die Fähre bereit, die uns ins eurasische Georgien bringen würde.

 

 

 

...Froh und munter präsentieren wir nun außerdem endlich mal aus anderem Blickwinkel -  Dirk hat geduldig seine Kamera mitgeschleppt und fleißig dokumentiert. Und das ist sehr gut so:

 

 

Danke, Danke, Danke für Euer Kommen, für das Familie leben und für die unvergesslichen Abenteuer, die hier gar nicht alle erwähnt werden können.