"Sdravo, Sdravo" an jeder Ecke
...und wir hatten es gut.
Die ersten ruhigen Tage im Land
Nach dem Erlebnis mit all den Soldaten, die die Landschaft nach flüchtenden Menschen absuchten und einem streng blickenden ungarischen Grenzbeamten, wurde es am serbischen Grenzposten direkt sehr nett: Wir wollten uns bei der serbischen Beamtin zum Abschied bedanken und versuchten es kläglich uns auf Serbisch zu verständigen. Erfolglos. Irgendwann saß sie sehr amüsiert in ihrem Häuschen und legte ihren strengen Blick ab... Der Bann zu Serbien war direkt gebrochen.
So radelten wir mit Hochgefühl ein neues Land erkunden zu dürfen durch die ersten serbischen Dörfer, die so nett waren. Was für uns ein typisches serbisches Dorf auszeichnet: Eine Hauptstraße, die auf beiden Seiten vor der Häuserreihe mit einem mindestens vier Meter breiten Grünstreifen gesäumt ist. Diese Vorgärten, die eigentlich öffentliches Gelände sind, werden von den Bewohnern mit so viel Liebe gepflegt. Auf fast jedem Grundstück steht eine Bank und zu Feierabend versammeln sich die Menschen auf den Bänken, halten Schwätzchen und es ist so eine nette Stimmung in den Dörfern. Hindurch zu radeln macht riesig Spaß - überall grüßen die Menschen, es gibt so viel anzusehen. Außerdem gibt es die herrlichsten Autos hier in Serbien! So viele alte grandiose und sehr gepflegte Schlitten fahren hier herum.
Bald machten wir Mittagspause. Und während wir so saßen, kam plötzlich ein Auto neben uns zum Stehen und eine Frau stürmte freudestrahlend auf uns zu. "Herzlich Willkommen in Serbien" begrüßte uns die Dame auf Deutsch und drückte uns zwei eisgekühlte Limonaden in die Hand. So schnell wie sie kam, war sie auch wieder weg. Und wir saßen glücklich da und waren schwer angetan von soviel Herzlichkeit von allen Seiten.
Als wir am Abend erfolglos unsere Unterkunft suchten, fragten wir einen Mann in seinem Garten nach dem Weg. Wir fanden mal wieder keine gemeinsame Sprache - aber wir bekamen es trotz allem hin. Während wir nun zehn Minuten darauf warteten abgeholt zu werden, fanden wir uns plötzlich mit dem Herrn, seiner Frau und den Nachbarn Schnaps- bzw. "Rakija"-trinkend wieder. Hatten wir einen Spaß (auch wenn auf dem Bild alle sehr ernst gucken)! Zum Abschied füllte uns besagter Herr dann eben auch noch einen weiteren halben Liter selbstgebrannten Rakija für die Weiterfahrt und für in unseren Flachmann ab. Mit so viel Rakija kann der Bauch ja nur wieder gut werden...!
Schließlich verbrachten wir dann einige Zeit bei Jasmina Zuhause. Auch hier wurden wir nach folgender serbischer Tradition herzlich von Jasmina und ihrem Mann Sören empfangen: Zuerst isst man ein wenig Brombeer-Gelee, damit sich die Bakterien im Bauch darauf stürzen. Danach trinkt man Kaffee, um diese blind zu machen. Zum Schluss folgt natürlich ein Rakija, um sie zum Schluss feierlich zu töten. Und schon bleibt man gesund, oder wird es wieder.
Hast Du eigentlich schon von "Liberland" gehört? Es handelt sich um die Freie Republik Liberland, ein kleines Stückchen Land, für das sich weder Kroatien noch Serbien verantwortlich fühlt. Dort hat nach geltendem Recht ein Bekannter von Sören 2015 einen bisher nur gering international anerkannten Staat gegründet. Ob dieser nun wie nach Sören´s Aussage, der durch Liberland den Diplomaten-Status inne hat, einzig dazu dient Menschen zu helfen oder eher wie in den Medien dargestellt als Steueroase dient, bleibt mal dahingestellt.
Von Jasmina wurden wir wie bei Muttern mit allerlei Spezialitäten bekocht und mit frischem Brot, lauter hauseigenen Produkten von den Ziegen (Milch, Käse, Speck), Hühnern (Eier, Fleisch) und aus dem Gemüsegarten versorgt. Sie führte uns in die Spezialität der "Burek" ein und wir produzierten die mit Ziegenkäse gefüllten Teigtaschen gemeinsam in der Küche. Wir genossen den großen Garten und ließen uns beim Dorffriseur die Haare schneiden. Warst Du schon mal beim Friseur und hast ohne Worte erklärt, wie Du gerne Deine Haare geschnitten bekommen haben möchtest? Ich auch nicht. Aber es hat geklappt!
Seit wir von dort weitergefahren sind, haben wir einen neuen Navigator in der Crew - Tommi hat das Steuer übernommen und Tine feiert den Windschatten. In den kommenden Tagen haben wir unseren neuen Tagesrekord mit 83,88 Kilometern aufgestellt. Die Hitze am Tag und die Stechmücken am Abend und Morgen werden von Tag zu Tag unerträglicher und schon morgens um 7 Uhr weiß man sich ohne Schatten kaum noch zu helfen...
Unvergesslich im Nationalpark "Fruška Gora"
Wir machten dann noch einen Umweg, um zwei Etappen auf der anderen Donauseite zurückzulegen und den Nationalpark "Heiliger Berg" zu erkunden. Dazu durchquerten wir 5 Kilometer kroatisches Land und mussten dafür vier Grenzstationen überwinden.
Den Nationalpark selbst erlebten wir wie einen kleinen Urwald, da wir für ungefähr 50 Kilometer kleinen Landstraßen folgten, die die ganze Zeit von Grünzeug neben und über uns gesäumt waren. Währenddessen ging es pausenlos bergauf und ab und wir trainierten ordentlich. Am Abend wurden wir mit einer unvergesslichen Begegnung beschenkt:
Nach dem allabendlichen Bau unseres Zuhauses machten wir uns ans Kochen unseres Abendessens und saßen auf einer Wiese mit Blick in die Ferne und die Hügellandschaft, die sich unter uns erstreckte. Plötzlich raschelte es circa fünf bis sieben Meter neben uns in den Bäumen am Waldrand. Wir waren nicht sehr erfreut, da wir vermuteten der Bauer würde gleich durchs Gestrüpp kommen und uns beim versteckten Zelten entdecken. So starrten wir gespannt auf die raschelnden Äste auf Kopfhöhe von Tommi.
...Statt einem Bauer kam aber plötzlich ein monströses Geweih zum Vorschein und kurz später schaute uns ein riesiger Hirsch an! Unglaublich. Es herrschte einen kurzen Moment komplette Regungslosigkeit auf beiden Seiten. Weder der Hirsch noch wir verstanden die Welt und wir schauten uns einfach nur alle verwirrt an. Schließlich besann sich der Hirsch und flüchtete. Wir verfolgten den Hirsch noch einige Zeit mit unseren Blicken, wie dieses elegante große Tier über die Felder davon zu fliegen schien.
Neben dem Hirsch begegneten wir Glühwürmchen, faszinierenden Schmetterlingen, riesigen Käfern und einem Wiesel-Pärchen.
Stolz von unserem Bergerfolg im Nationalpark rollten wir am zweiten Tag bergab und in Novi Sad ein...
Beste Zufälle in und Hinter Novi Sad
Novi Sad genossen wir sehr und die Stadt empfanden wir als sehr entspannt. Kaum vorstellbar, dass die Stadt noch 1999 von der NATO unter Beschuss stand.
Wir durften bei "EkoKurir" unterkommen, einem großen Fahrradkurier-Unternehmen, das einige serbische Jungs gegründet haben. In deren Clubhaus, das auch als WG dient, nehmen sie allerhand Reisende auf und wir durften ein eigenes Zimmer bewohnen. Endlich mal wieder ein wenig WG-Leben zu schnuppern und viele verschiedene Menschen, die auf einen Sprung vorbeischauten, zu treffen, war richtig nett.
Und wir erwischten den perfekten Tag, um in Novi Sad zu sein! Denn es war Sonntag, der 3. Juni, der alljährliche Europäische Tag des Fahrrads, und es gab viel zu erleben. So radelten wir am Vormittag mit ungefähr 300 anderen Fahrradfahrern bei der "Critical Mass" durch die Straßen der Innenstadt. Critical Mass wird oft in großen Städten organisiert; es treffen sich unmotorisierte Verkehrsteilnehmende und im Pulk radelt man auf den Straßen und macht so auf die Belange von Fahrradfahrern aufmerksam. So rollten wir fröhlich bei guter Musik mit EkoKurir-Caps, entdeckten die Stadt ganz anders und freuten uns daran, dass die Autos warten mussten, bis die Masse an Drahteseln die Kreuzungen passiert hatten.
Am Abend wurde in diesem Zusammenhang auch noch ein "Cycling Cinema" veranstaltet. So durften wir endlich einem lang ersehnten Open Air-Kino beiwohnen. Mit einem Lasten-Fahrrad transportierten die Veranstalter ein komplettes Kino-Equipment in die Stadt und so konnten wir auf einem ruhigen Platz endlich mal wieder einen Film sehen - eine niederländische Produktion mit serbischem Untertitel. Wir reimten uns die Handlung unterm Sternenhimmel zusammen und erlebten einen herrlichen Abend!
Auf der Weiterreise nach Belgrad fanden wir auch nach stundenlanger Suche keinen geeigneten Platz für unser Zelt. Als wir einen älteren Herrn auf seinem Bänkchen im Vorgarten um Hilfe baten, wurden wir von ihm und seinem Sohn kurzerhand zum Zelten im eigenen Garten eingeladen. Eine sehr entspannte Zeit hatten wir alle zusammen. Der herrlich witzige Vater ist Mechaniker und zeigte uns all seine abgefahrenen Bauwerke (z. B. einen Opel-Oldtimer oder seinen Alarm-Roboter aus lauter Autoteilen mit dröhnender Sirene, dessen Penis im Kreis schwingt und zur Abschreckung mit Wasser spritzt) und er schärfte unser Vesper-Messer mit solch einer Geduld in seiner Werkstatt. Wir saßen den ganzen Abend beisammen, aßen gemeinsam zu Abend und es kam niemals diese Situation auf, dass wir uns eigentlich gerne zurückgezogen hätten. Was für eine nette unvergessliche und absolut nicht selbstverständliche Einladung! Es war einfach nur schön bei und mit den Dreien, auch wenn wir uns eigentlich nur mit Slavko, dem Sohn, unterhalten konnten.
Neben der schönen Landschaft ist die Donau selbst in Serbien übrigens gar nicht mal mehr so schön, da unter anderem in Novi Sad die komplette Kanalisation und auch Chemikalien aus Fabriken in das Gewässer geleitet werden.
Und was sich weiterhin als großer Hit auszeichnet:
Mit Tine´s Fahrradvase haben wir wunderbar viele nette Situationen und erzeugen viel Freude bei diversen Serbinnen, die allesamt die Vase mit einem weiteren Blümchen bestücken.
Nachricht an unsere Lieben
Seit wir auf Reisen sind, werdet Ihr hier ja immerzu fleißig mit Informationen von uns gefüttert und
könnt nachlesen,wo wir so sind und wie es uns geht.
Dabei ist es für uns richtig schade, dass es meist auf der Strecke bleibt zu wissen, was bei Euch so los ist.
Davon bekommen wir nur ganz wenig mit...
Wir freuen uns riesig auch aus Eurem Leben ein Update zu bekommen! Das muss auch gar nichts von Spektakularität sein.
Was kocht Ihr heute Abend zu Essen? Wie ist die Laune Zuhause? Darauf freut Ihr Euch diesen Monat? Letztes peinliches Erlebnis?
Lasst doch auch mal von Euch hören. Wir freuen uns.