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1127 Kilometer - Sommer, Sonne, Sonnenschein.

Sonne satt und Radlspaß.

Ein April der Extraklasse. In Oberösterreich.

Keine 200 Meter nach der Grenze und auf österreichischem Boden gönnten wir uns erst einmal eine ordentliche Vesperpause, die aufgrund anderer regionaler Begebenheiten inzwischen „Brotzeit“ heißt. Solch einen schönen Strand entlang unserer Reiseführerin, der Donau, hatten wir wirklich noch nie gesehen. Wie immer durfte der Dosenfisch natürlich nicht fehlen, aber das versteht sich ja von selbst... Nur leider erlebten wir das erste dramatische Dosenfisch-Dilemma. Gepaart mit Champignon ist diese Delikatesse wirklich nicht zu empfehlen.

Neben dem Grenzübertritt war dieser Tag ein Highlight, weil wir zu Feierabend endlich unsere Draußen-Dusche einweihten. Dass dieses unscheinbar erscheinende Utensil in unserem Gepäck sich als solch ein grandioser Reisebegleiter entpuppen sollte, hatte zumindest Tine nicht gedacht. Wasser rein, Sack zu drehen, am Baum aufhängen und die verstellbare Düse aufdrehen. Der Hammer, um einen frohen Feierabend nach einem mehr oder auch weniger anstrengenden Radltag einzuläuten! In den kommenden Tagen perfektionierten wir diese Prozession – mit unserem Benzinkocher sorgten wir für heißes Wasser, denn an Luxus darf es nicht fehlen.

Tags drauf durchquerten wir einen Teil der Schlögener Schlinge (dort schlängelt sich die Donau zwischen Hügeln entlang) mit einer Holz-Zille. Eine Zille ist ein flachbodiges Wassergefährt, das in der folgenden Donau-Region zum guten Ton dazugehört. Es gibt sogar Menschen, die mit solch einem kleinen Gefährt schon bis zum schwarzen Meer der Donau gefolgt sind. Nachdem wir dem restlichen Teil der Schlingen am Flussufer gefolgt waren, in einer Region, in der es außer der Donau nichts zu sehen gab, öffnete sich das Land wieder...

...und vor uns lag plötzlich ein Alpen-Panorama der Extraklasse! Völlig unerwartet zeigte sich eine mächtige Bergkette entlang des Horizontes, die uns auch die nächsten Tage begleitete.

Ein im Nachhinein sehr ulkiger Zwischenfall, der uns im ersten Moment ziemlich in Panik brachte, und ziemlich deutlich zeigt, wie aufgeschmissen man manchmal im Ausland ist, ereilte uns an einem Abend, als wir an einem verlassenen Damm vermeintlich entspannt zelteten:

Ein phantastischer Abendhimmel spannt sich über uns, die Vögel im benachbarten Wasserschutzgebiet geben ihr Bestes, es geht ein lauer Abendwind, während Jogger und Rennradler auf dem Damm an uns vorbei eilen. Während es langsam dunkel wird, baut Tine das Zelt auf und Tommi zaubert ein Festessen. Als das Zuhause steht und Tine sich in der Dunkelheit neben Tommi gesellen möchte, erklingt plötzlich eine markerschütternde Sirene, die Tommi direkt neben dem Benzinkocher nicht hören konnte. Bis er den Kocher ausgeschalten hatte, war sie bereits wieder verstummt. Da wir solch einen Signalton lediglich von der in Freiburg zwei Mal im Jahr stattfindenden Sirenenprobe kenne,n war das für uns ein klares Zeichen, das etwas passierte, wovor gewarnt werden muss. Nur was?! Ist gerade irgendein Notstand ausgebrochen, vor dem die Gesellschaft gewarnt werden muss? Treten irgendwo aus einer Fabrik giftige Gase aus? Der vorher so belebte Damm war dazu auch noch plötzlich menschenleer und keine Menschenseele zeigte sich an diesem Abend mehr... Völlig unsicher saßen wir also da. Die Internet-Verbindung war sehr langsam, um irgendwelche Informationen herauszufinden. Und so schmiedeten wir derweil leicht verunsichert Pläne, was tun.

Schlussendlich fanden wir heraus, dass in Österreich tatsächlich jedes Mal eine solch grässliche Sirene ertönt, wenn die Feuerwehr ausrückt und alle freiwilligen Feuerwehrleute informiert werden sollen. Sollte der Notstand ausgerufen werden, wird dieses Sirenensignal auch genutzt, doch dann ertönt es für drei Minuten am Stück.

Die Panik ließ also nach, führte uns aber vor Augen, wie verloren man sein kann, sobald einem regionale Selbstverständlichkeiten nicht mehr bekannt sind.

 

Als bisher größte Stadt führte uns die Donau durch Linz, eine für uns sehr multikulturell wirkende Stadt. Auch wenn es viel zu sehen gegeben hätte, hielten wir uns nur wenige Stunden dort auf, da wir zum Nachmittag wieder außerhalb der Stadt einen Schlafplatz finden mussten. Wir kämpften uns mit unseren Packeseln durch die Einkaufsstraßen und freuten uns an den Bäumen, die mit voller Blüte protzten. Unser Eindruck trotz kurzem Einblick: sehr sehenswert.

Zu späterem Zeitpunkt düsten wir entlang der perfekt ausgebauten Donau-Autobahn und kämpften gegen den Wind... Und das so erfolgreich, dass wir eine Windschatten-Crew hinter uns herzogen. So radelten wir wortlos lachend zu fünft in den Abend hinein. (Wobei wir noch immer nicht verstehen, warum ausgerechnet die Beiden mit den Gepäcktaschen vorne fuhren...)

Wir wurden dabei Zeugen eines bombastischen Wolkenbergs und danach eines knallharten Gewitters. Schlussendlich gut für uns, weil wir schnell unser Zelt aufstellten und so am nächsten Tag eine Ausrede hatten, als der Bauer uns am Morgen beim Frühstück auf seiner Wiese besuchte.

Wir fuhren durch Enns, der ältesten Stadt Österreichs, um dann später – Trommelwirbel, Paukenschlag – die 1000-Kilometer-Marke zu knacken! War das ein bahnbrechender Moment. Und tatsächlich können wir sagen, dass wir Spaß am Radeln und unsere Räder schon richtig lieb gewonnen haben. Dieser Tag wurde auch der Tag, an dem wir mit dem zweiten Dosenfisch-Dilemma, die Zeit, in der täglich eine Dose verzehrt wurde, beendeten. Genug ist genug! Wir sehen es ein.

Doch der Abend sollte nach der 1000-Kilometer-Marke sogar noch besser werden. Nach langer erbärmlicher Zeltplatz-Suche fanden wir uns plötzlich bei Abendsonne an einem schönen See und wurden von jungen Fischern zum Bleiben eingeladen, die dort selbst zu festeln begannen. So feierten wir abends in großer Runde und genossen das erste Lagerfeuer unserer Reise, den bezaubernden Sternenhimmel und den für die Jahreszeit echt warmen See. Wir wurden in die Aktivität des Sportfischens eingeweiht. Skurril, stellen wir fest. Wieso angelt man Fische, um sie danach wieder in den See zu werfen? Verstehen wir nicht. Da gibt es dann sogar tatsächlich eine Erste-Hilfe-Salbe für den Einstich. Hart! Nichts desto trotz hatten wir eine grandiose Zeit dort am See. Am nächsten Tag wurden wir dann direkt noch von Kerstin und Manuel (einer der Fischer), die im nächsten Ort unserer Reiseroute wohnen, zum Mittagsgrillen eingeladen. Was können wir dazu sagen? Danke für dieses fantastische Geschenk! Es war sau fein.

Mit der nächsten Tages-Etappe endete schließlich der erster Radl-Abschnitt unserer großen Reise, da wir ganz aufgeregt in den Hof unseres Zuhauses für die kommenden Wochen einfuhren - dem Bauernhof, wo wir gerade mitarbeiten und uns pudelwohl fühlen.